Khalsa Way Yoga – Schwangerschaft in der Kundalini-Tradition

Über Ängste in der Schwangerschaft, Ausrichtung und das Geschenk des Khalsa-Way-Yoga

In den ganz besonderen Momenten im Schwangerschaftsyoga, komme ich immer wieder in den Genuss, mich mit Frauen über ihre Erfahrungen während dieser Zeit auzustauschen. Neben vielen schönen Geschichten höre ich häufig von der großen Angst, etwas falsch zu machen.

Ich kann mich gut in dieses Gefühl hineinversetzen, denn mir ging es genauso, als ich Entscheidungen für das heranwachsende Kind in mir und für mich treffen sollte.

Bei mir waren die Gegebenheiten nicht so entspannt, denn meine Schwangerschaft kam überraschend und ohne festen Partner. Zusätzlich hatte ich gerade einen Straßenhund adoptiert, der viel Zeit und Liebe forderte. Häufig hatte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem ungeborenen Baby, dass es in so einem Tohuwabohu und ohne rosarote Vorplanung in die Welt gesetzt wurde. Doch ich war mir sicher, dass es seine Richtigkeit hatte und begab mich auf den Weg, um meiner inneren Stimme zu lauschen und mehr und mehr im Einklang mit mir und meiner Tochter zu leben.

Die erste Zeit meiner Schwangerschaft war von vielen Ängsten begleitet.

Gegen die Angst vor einem Leben als Single-Mom, half mir eine sehr tiefe Verbindung zu mir selbst. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe ich noch während der Schwangerschaft Vertrauen zu mir, zu meinem Körper und zu meinem Baby auf seiner eigenen Reise gefunden. Dabei haben mich meine Achtsamkeitspraxis, meine Doula, Yoga und Meditation besonders gut unterstützt. Damals kannte ich noch nicht die Praxis des Khalsa Way Yoga, von dem du weiter unten mehr erfahren wirst.

Natürliche Veränderungen und Bedürfnisse in der Schwangerschaft

Durch hormonelle Veränderungen erfahren Schwangere einen ganz natürlichen Wandel in ihren Bedürfnissen: neue Essensgewohnheiten, ein erhöhtes Schlafbedürfnis, andere Yoga-Vorlieben und vielleicht auch einen neu gezogenen Kreis an Menschen, mit denen sie sich umgeben möchten.

In diesem Wandel spüren schwangere Frauen intensiver – sich selbst und ihr Umfeld. Dieses Spüren ist ihre “Superkraft” – als hätten sie einen Filter um sich herum. Dieser soll deutlicher werden lassen, welches die „richtigen Entscheidungen“ für sie selbst und für das ungeborene Kind sind.

Wie umgehen mit Druck und Ängsten in der Schwangerschaft?

Keine Frage, vor allem der Beginn einer Schwangerschaft kann verwirrend sein. Wir erfahren so viel Neues, Ungewohntes und „Unkontrollierbares“, all das kann beängstigend wirken.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass es eine große Herausforderung war, mit traumatischen Geburts-Geschichten anderer Frauen gut umzugehen. Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Frauen als Schwangere noch mehr unter der Beobachtung Anderer stehen.

Und: gibt es zu wenig Themen so viel ungefragte Meinungen und Ratschläge, wie zu den Themen Schwangerschaft und Geburt.
So höre ich immer wieder den Satz: “Eine Schwangerschaft ist doch keine Krankheit”. Dies soll als Motivation dienen, so weiter zu machen, wie zuvor.

Frauen verspüren häufig den Druck, sich nicht wie eine Kranke zu benehmen und bloß nicht weniger produktiv zu sein. Sicherlich entsprechen die zehn Monate Schwangerschaft (meistens) keiner Krankheit, doch es ist eine besondere Phase, in der Frauen eingeladen werden, mit Zeit nach Innen zu schauen und auf die Reise in ihre Weiblichkeit und Sinnlichkeit zu gehen.

Ab der 14. Schwangerschaftswoche besuchte ich eine Doula. Eine Doula ist eine „nichtmedizinische Helferin“ für Schwangere und für Frauen nach der Entbindung. Der Kontakt war mein persönlicher Beginn von meiner achtsamen Schwangerschaft. Stück für Stück lernte ich, meiner Intuition mehr Raum zu gewähren. Ich habe aus meinen eigenen Ängsten und Erfahrungen gelernt, dass es sehr wertvoll ist, dieser tiefen, inneren Stimme zu folgen. Ich lernte, mehr im Einklang mit meinem wahren Ich zu schwingen und weniger von externen Einflüssen und Ängsten geleitet zu sein.

Schwangerschaft in der Kundalini-Tradition

Im Kundalini Yoga werden, im Gegensatz zu anderen Yoga-Arten, ganz gezielt die „10 Körper des Menschen“ angesprochen. Diese 10 Körper beinhalten neben dem physischen Körper auch drei geistige Körper auch sechs Energiekörper, die einen Menschen ausmachen. Ziel der Kundalini-Praxis ist es, Kundalini-Energie zu aktivieren, die – einer zusammengerollten Schlange gleich – unter dem Nabelpunkt jedes Menschen sitzt.

In der Tradition des Kundalini Yogas wird empfohlen, dass sich ein Paar schon beim ersten Gedanken an ein Kind auf die Ankunft der ungeborenen Seele vorbereitet. Damit ist gemeint, dass schon vor der Befruchtung Selbstliebe und Achtsamkeit gelebt werden, dass die Verbindung zum eigenen Körper gestärkt werden und Emotionen mehr Raum erhalten sollen. Zukünftigen Eltern wird empfohlen, sich mit der Seele des Kindes bereits vor der Empfängnis zu verbinden.

Reinigungskuren oder Kriyas (Reihe verschiedener Haltungen, Atmungen und Klänge), welche beispielsweise die Fruchtbarkeit unterstützen, sind empfohlen, um den Körper von Frau und Mann für die Befruchtung und die Schwangerschaft bereit zu machen.

“Our job as parents is to raise our consciousness not only about conception, pregnancy, delivery, and parenting, but also about our own lives. Our duty is to give children what they need in life so that they will always remember who they are: spiritual beings born to have a human experience.”

Gurmukh Kaur Khalsa

„Khalsa Way“ – die Kunst, eine Mutter zu werden

Khalsa Way Yoga Training wurde von der Kundalini Yoga Lehrerin Gurmukh Kaur Khalsa nach ihrer eigenen Schwangerschaft konzipiert. Ich kannte Khalsa Way zur Zeit meiner Schwangerschaft noch nicht, es war in Deutschland wenig verbreitet.

„Khalsa“ kommt aus dem Gurmukhi und bedeutet rein. Ich übersetze Khalsa Way gerne als den Yoga-Weg, um „rein mit sich zu werden“, „pur zu werden“, um du selbst zu sein. 

Diese Kundalini-Form des Pränatal-Yogas (siehe unten) ist eine wunderbare Komposition aus Herausforderung und Entspannung, aus Klängen und Ruhe, aus Führung und Selbstbestimmtheit. Khalsa Way bringt dein Prana (Lebensenergie) zum Fließen UND öffnet das Herz sanft und kraftvoll. Prana und Liebe fließen so intensiv, dass du nach einer Klasse nicht nur dein Baby, sondern die ganze Welt umarmen möchtest.

Ruhepausen sind ind er Schwangerschaft wichtig, um die Veränderungen bewußt wahrzunehmen und sich immer wieder auf diese auszurichten.

Khalsa-Klassen sind so konstruiert, dass sie Frauen auf ihrer Reise ins Mutterseins unterstützen, auf physischer, mentaler und spiritueller Ebene. Der Fokus liegt darauf, Mama und Baby als Partner auf die Geburt vorzubereiten. Hierauf sind die im Khalsa Way enthaltenen Kriyas, Meditationen und Pranayama Übungen speziell zugeschnitten.

“We birth how we live”

(von Domino Kirke)

Mit der Geburt wird nicht nur ein Kind, sondern auch die Mutter geboren. Das „aktive Muttersein“ beginnt. Dies kann durch ein traumatisches Schwangerschafts- oder Geburtserlebnis deutlich erschwert werden. Darum ist es besonders wertvoll, sich in einem sicheren Rahmen spätestens in der Schwangerschaft bewusst mit seinen eigenen Wiederständen zu beschäftigen.

Die Praxis des Khalsa Way fördert Vitalität, während und nach der Schwangerschaft allem Gelassenheit, Selbstvertrauen und Intuition.

Khalsa Way ist die Form von Pränatal-Yoga, in der es nicht nur darum geht, den Beckenboden flexibler zu machen, sondern auch darum, ein Bewusstsein für sich selbst und die Kostbarkeit des Lebens zu entwickeln.

“Woman is the molder. You are the molder of time, space, and of man: the man of tomorrow, the child; the man of today, the husband; and the men of yesterday; the ancestors. The entire society, in theory and reality, is based on the spirit of woman.”

Yogi Bhajan

Drei Schritte für mehr Achtsamkeit in der Schwangerschaft

Wie schaffen wir es also, bei all der Aufregung, den erzählte Geschichten und „gut gemeinten“ Ratschlägen gelassen zu bleiben und diese nicht zu unseren eigenen zu machen?

Neben dem bewussten Zeitnehmen für sich durch Pränatal-Massagen, erhebender Literatur und gesunder Ayurveda-Ernährung empfehle ich folgende drei Aspekte:

  1. Tägliches Spüren. Wie geht es uns gerade? Dies verrät unter anderem der Atem. Der Zustand von Mutter und Kind bestimmt, wie die Luft in und aus unseren Körper strömt, gleichzeitig kann ein bewusster Atem ihren Zustand beeinflussen. Hier helfen bestimmte Pranayama Techniken, wie zum Beispiel die Wechselatmung. (Keine Feueratmung, während der Schwangerschaft.)
  2. Erlaubnis. Das alles da sein darf, unsere Bedürfnisse und Gefühle – sei es auch Traurigkeit oder Erschöpfung. Alles hat seine Daseinsberechtigung, denn alle Empfindungen kommunizieren mit uns und zeigen uns unseren individuellen Weg. Zu Erlaubnis zählt auch das Verständnis, nach Hilfe fragen zu dürfen. Auch: wir erlauben uns es anders zu machen, als es von uns erwartet wird; wir erlauben uns unseren eigenen Weg zu gehen und uns zu vertrauen.
  3. Verbindung. Mit uns, unserem Körper, dem Zuhause unseres Babys, und mit anderen Frauen. Eines der besten Mittel dafür ist Khalsa Way Pränatal Yoga. Hier werden Frauen eingeladen sich so zu zeigen wie sie sich gerade fühlen, von anderen Frauen gehalten, die sich in der selben Lebensphase befinden. Mit angeleiteter Körperarbeit, die den Körper und den Geist in dieser Zeit des Wandels stärken und flexibel machen. Im Kreis von Schwangeren, in dem Verbindung und Heilung an erster Stelle stehen.

Prana-Fluss und Herzöffnung für eine Schwangerschaft in Balance

Als eifrige Yogaschülerin von dynamischem, schweißtreibendem Yoga dachte ich am Anfang meiner Schwangerschaft überhaupt nicht daran, mich in eine Yogaklasse für Schwangere zu begeben.

Lange hatte ich Widerstände gegenüber „langweiligen“, „unterfordernden“ Übungen, die mein Prana (die Lebensenergie) nicht in der Art fließen ließ, wie ich es kannte und weiterhin haben wollte.

In Liebe verbunden sein.

„Yoga means Union“ sagte meine Lehrerin. Das Gefühl kannte ich noch von der Zeit vor meiner Schwangerschaft. „Yoga is the state where nothing is missing“ wurde in einer anderen Klasse erklärt, aber ich spürte nichts als Erschöpfung.

Mein Lieblingsyoga passte einfach nicht mehr zu meinen Bedürfnissen, nach den Stunden fühlte ich mich meistens ausgelaugt. Ich sehnte mich nach liebevoller Führung, Halt und Community. Im zweiten Schwangerschafts-Trimester spürte ich deutlich, dass ich etwas Anderes brauchte und erlaubte mir den Wandel. Also probierte ich ganz klassisches Pränatal Yoga aus – es war besser als erwartet!

Jede Mutter weiß selbst am Besten, was für sie und für ihr Kind gut ist.

Dies ist der Leitsatz vom Khalsa Way Yoga. Genau dafür braucht eine werdende Mutter Verbindung zu sich selbst. Wege um zu dir nach Hause zu kommen, sind so eine so schöne Basis, auf denen Khalsa Way dich nur unterstützen kann.

Mit diesem Artikel, möchte ich dich dazu ermutigen, deine Schwangerschaft mit der Achtsamkeit zu leben und zu erfahren, die du dir selbst wünscht. Ich möchte dir zeigen, dass selbst bei schwierigen Gegebenheiten, wie der Perspektive auf eine Single-Mutterschaft, die Reise ins Muttersein mit Bewusstheit gelebt werden kann. Meine eigene Geschichte dient als Beispiel dafür, wie kostbar unsere innere Stimme ist.

Deine Lara

Kommender Workshop von Lara/ the motherlover

Ab Februar 2020 unterrichtet Lara Workshop-Reihen in der Tradition des Khalsa Way in den Räumen von Rolling Tiger. Hier findet ihr mehr Informationen zu den Events:

Die Autorin

Lara Süß

Als Gründerin von the motherlover, inspiriert Lara Schwangere auf ihren eigenen Körper und auf das eigene Herz zu hören.

Lara wurde mit 24 Jahren Mutter. Begeistert von ihrer eigenen Transformation, beschäftigt sie sich seither mit den Themen Schwangerschaft, Geburt, Mutter- und Frausein. Sie absolvierte bei Gurmukh Kaur Khalsa das Teacher Training zur Khalsa Way Yogalehrerin und ist seit Beginn 2019 Assistentin bei rolling tiger. Als Begleitung zu ihrer Doula Ausbildung unterrichtet Lara monatlich Prä- und Postnatal -oga und hält Kreise für Mütter, die auf Khalsa Way Prä- und Postnatal Yoga basieren.

Weitere Informationen

Pränatal Yoga geht auf die Bedürfnisse von Mutter und Kind vor der Geburt ein. So heilsam und ganzheitlich verschiedene Yogaarten für den menschlichen Körper auch sind, gibt es einige viele Haltungen und Atemtechniken, die während der Schwangerschaft kontraproduktiv sein können. Diese werden in pränatal Klassen vermieden und durch andere Techniken ersetzt. Der Fokus liegt hier auf dem Öffnen. Dem sachten Öffnen der Hüften, des Herzens und des neuen Lebensabschnittes gegenüber. Zudem soll der Beckenboden kennengelernt und flexibel gehalten werden.

Postnatal Yoga soll auf die Bedürfnisse von Mutter und Kind nach der Geburt eingehen. Hier liegt der Fokus auf dem Stärken und Zusammenziehen. Denn ein gestärkter und zentrierter Körper unterstützt einen starken und klaren Geist. Gleichzeitig ist es wichtig in dieser Zeit das „Bonding“ zwischen Mutter und Baby nicht zu vernachlässigen. Flexibilität während der Asanas oder Kriyas und das spontane Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes sind für eine schöne Postnatal-Klasse – meiner Meinung nach – essentiell.

Nachtrag

Wir sind uns darüber im Klaren, dass nicht alle Schwangerschaften und Geburten glücklich verlaufen. Khalsa Way ist kein Heilversprechen, auch soll dieser Artikel Leid und Schmerz, die mit Schwangerschaften einhergehen können, nicht schmälern.

Literaturempfehlungen

Photocredit

Schwangerschaftsfotografin Alia Malin und unsplash.com

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