Wie gesund ist Glutenfreie Ernährung wirklich?

Was du unbedingt beachten solltest – Glutenfreie Ernährung aus Ayurveda Perspektive

Als ich im Winter 2010 nach einem längeren Aufenthalt in der Westbank/ Palästina nach Berlin zurückkehrte, war mein Verdauungssystem komplett durcheinander. Was ich zunächst auf die Nachfolgen emotionaler Anspannungen während des Aufenthalts zurückführte, offenbarte sich dann schnell als Klimax meiner seit der Kindheit bestehenden Verdauungsbeschwerden. Nach einem kurzen Bluttest war klar, ich hatte unglaublich hohe Gliadin-Antikörper im Blut, sprich: ich hatte Zöliakie.

Zöliakie ist eine Schleimhautentzündung im Dünndarm, die durch eine Überempfindlichkeit auf glutenhaltige Nahrungsmittel entsteht. Durch die Entzündung bilden sich die Darmzotten zurück. Wichtig ist: es gibt viele Formen und Verlaufsformen von Zöliakie.

Nach meiner Diagnose verzichtete ich sofort auf alle glutenhaltigen Produkte und fiel erstmal in ein Loch. Ich kam mir isoliert vor und hilflos. Als ich nach dem Besuch bei einer Diätikassistentin allein die Tiefkühl-Liste von Schär in der Hand hielt, war mir klar, dass ich meine gesunde Ernährung selbst in die Hand nehmen musste.

Neben Gluten verzichtete ich auf konventionelle Ersatzprodukte. Mein Körper war nach einer Woche wie ausgewechselt. Ich hatte wieder Energie, meine Magensäure balancierte sich, mein Hautbild verbesserte sich und vor allem: mein Stuhlgang war – wie im Ayurveda-Bilderbuch – perfekt, zum ersten Mal in meinem Leben.

Ist Glutenfrei jetzt gesund?

Auch, wenn die Zeiten des großen Weizen-Bashings abgeklungen sind: immer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei. Einige von ihnen Aufgrund erforderlicher, gesundheitlicher Gegebenheiten, eine Mehrzahl jedoch aus Lifestyle-Gründen.

Doch für wen ist der Verzicht wirklich sinnvoll und wie können wir dafür sorgen, dass bei glutenfreier Ernährung unsere körperlichen Bedürfnisse ganzheitlich gestillt werden? Egal aus welchen Gründen du auf Gluten verzichtest, in diesem Artikel erfährst du, was du dabei wirklich beachten solltest.

Glutenfreies Frühstück sollte immer im Dosa-Kontext stehen.

Was ist überhaupt Gluten?

Gluten ist ein relativ schwerverdauliches Protein, welches zu verschiedenen Anteilen in Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste und somit auch in Grieß, Cous-Cous, Bulgur, Einkorn und Kamut enthalten ist.

Gemischt mit Wasser wird Gluten zu einer geschmeidigen, schwammähnlichen Masse, die saftig und zusammenhaltend ist. Sprich: (fast) alles, was eine knackige Pizza oder einen saftigen Kuchen zusammenhält, besteht aus glutenhaltigem Getreide.

Die Qualitäten von Weizen aus Sicht der Ayurveda

Weizen galt und gilt in Nordindien immer noch als sattvisches und – dank seines Proteingehalts – als aufbauendes Nahrungsmittel. Glutenfreie Ernährung finden wir in Indien – klimatisch und Anbau-bedingt – vor allem in Südindien.

Generell wird Weizen am besten von Menschen mit einer balancieren Pitta-Konstitution mit kraftvollem Agni verdaut. Dann gibt Weizen Kraft und hält besonders lange satt. Darum gehört zu einem klassischen nordindischen Thali/ Menü auch ein Roti oder Paratha, kleine Brotfladen, die in Gemüse- oder Linsengerichte getunkt werden.

Generell gilt: wer Gluten gut verdauuen kann, hat meist ein intaktes Verdauungsfeuer.

Glutenempfindsamkeit, egal ob temporär oder chronisch, ist eine Sache des Stoffwechsels

Gluten sollte bei Verzehr durch die Magensäure bereits anverdaut werden. Wenn unser Verdauungsfeuer oder die Magensäure nicht stark genug sind und das Protein unverdaut in den Dünndarm gerät, kann es zu Reizungen kommen. Luft im Bauch, Durchfall oder Verstopfung, gereizte Darmschleimhaut und unreine Gesichtshaut, Erkältungen, Müdigkeit und Erschöpfungsgefühle und Nährstoffmängel können die Folge sein.

In der Ayurveda verstehen wir Allergien und Unverträglichkeiten als Folgeerscheinungen eines über längere Zeit geschwächten Verdauungsfeuers. Laut Ayurveda lassen sich diese Formen duch Detox oder Panchakarma (die klassische Ayurveda-Reinigungskur) ausbalancieren.

Wer sollte sich wirklich glutenfrei ernähren?

Nicht jede/ jeder, der sich für glutenintolerant oder glutensensibel hält, ist es wirklich. An einer Zöliakie und einer Weizenallergie leiden in Deutschland nach Schätzungen „nur“ jeweils 1% der Bevölkerung.

Dennoch: viele Menschen beschreiben einen „High“, wenn sie beginnen, auf glutenhaltige Nahrungsmittel verzichten. Fakt ist, dass uns das Klebeiweiß Gluten schwer im Verdauungstrakt liegen kann – vor allem dann, wenn wir uns wenig bewegen oder viel „Stress haben“.

Über einen Prick-Allergietest, einen Bluttest oder über eine Darmspiegelung kannst du herausfinden lassen, ob du wirklich auf glutenhaltiges Getreide verzichten solltest oder ob vielmehr eine aktuelle Immun-/ Verdauungsschwäche vorliegt.

Wenn alle Ergebnisse negativ ausfallen, reicht manchmal eine kürzere Glutenpause, um den Darm zu regenerieren und das Wohlbefinden zu steigern. Und: einige Menschen reagieren garnicht auf das Getreide an sich, sondern auf ungereifte Hefe im Brot.

Wichtig ist, dass du dich glutenfrei ernährst, wenn bei dir

  • eine Weizenallergie oder/ und
  • eine Zolliakie (Glutenunverträglichkeit)
  • eine autoimmunbedinge Gliadin-Unverträglichkeit IgA (Gliadin ist ein Bestandteil von Gluten)
  • eine Schilddrüsenunterfunktion/ Hashimoto diagnostiziert wurde(n).

Auch bei langanhaltendem Stress kann ein phasenweiser Verzicht auch sinnvoll sein.

In den Neurowissenschaften finden wir, aktuell besonders vertreten durch Gabor Matè, verblüffende Parallelen in den Vorkommnissen von Traumata und Stress in Verbindung mit Autoimmunerkrankungen, wie zum Beispiel IgA (Autoimmune Gliadin-Unverträglichkeit) , auch in Kombination mit Hashimoto, einer Autoimmun-Erkrankung der Schilddrüse.

Hier kommen Ayurveda und Neurowissenschaften zusammen: dauerhafter Stress (hohes Vata/ hoher Cortisol-Wert) führen erst zu Störungen im Darm und können sich später zu Autoimmun-Erkrankungen entwickeln.

Glutenfrei und gesund snacken ist dank Trockenfrüchten und Nüssen gar nicht so schwer.

Glutenfreie Ernährung und deine individuelle Dosa-Balance

Du liebst dein Leben ohne Gluten und merkst, dass du dich wohler und leichter fühlst, wenn du darauf verzichtest? Dann solltest du diese Hinweise ganz besonders beachten:

Die meisten alternativen Getreidearten sind von sehr leichter und trockener Natur und können, bei vermehrtem Konsum unter anderem zu Verstopfungen, Kraftverlust und Hitze-Symptomen führen.

Wenn du eine Vata(Wind)- oder Pitta(Feuer)- Konstitution hast oder gerade viel Trockenheit und/ oder Hitzethemen in deinem Körper oder Geist aufkommen, solltest du diese Liste hier ganz besonders beachten. Kapha-Typen haben viel Stabilität und meist auch viel Feuchtigkeit. Sie können trocknende Getreide gut vertragen.

  • Reis: Basmatireis und brauner Reis sind für Vatas und Pittas besonders bekömmlich, sollten von Kaphas nur kontrolliert gegessen werden.
  • Mais: Mais gehört zu den trockensten Getreidesorten und sollte nur in Maßen von Vata-Typen verzehrt werden. Als Pitta-Typ möglichst meiden. Für Kapha ist es besonders gut geeignet. -> Bei Schilddrüsenunterfunktion meiden.
  • Hirse: Hirse enthält unglaublich viele wunderbare Nährstoffe für Haut und Haar. Vata- und Pitta-Typen sollten Hirse mit feuchterem Getreide mischen oder mit Ghee kombinieren, um ihr die Trockenheit zu nehmen. Für Kapha ist Hirse gut geeignet. -> Bei Schilddrüsenunterfunktion meiden.
  • Chia: Chia hat wenig Kohlenhydrate und eine verführerisch große Bandbreite an Aminosäuren. Chiaspeisen brauchen, da sonst geschmacksarm, leider eine Menge an Süße und Fett. Und: egal, wie lange eingeweicht, ein Großteil der Nährstoffe verlässt den Körper unaufgeschlüsselt.
  • Glutenfreie Haferflocken: gekochte, glutenfreie Haferflocken senken Vata und Pitta, solange sie für dich gut verdaulich sind. Das ist individuell sehr verschieden. Fakt ist: sie nähren Körper, Haut und Geist besonders und haben eine balancierende Wirkung auf unser Gemüt. Als Kapha-Typ in Maßen essen.
  • Buchweizen: Buchweizen ist sehr herb und trocken und sollte von Vata und Pitta möglichst gemieden werden.
  • Amaranth und Quinoa: beide Getreidesorten sind leicht und trocken und für Vata-Typen nur bedingt zu empfehlen, Pittas sollten beide nach Möglichkeit meiden.
  • Lupine & Hanf : beide sind als Zutat im eiweißhaltigen Brotaufstrich zu empfehlen.

Und Sojaprodukte: viele Menschen, die Probleme mit der Verdauung von Gluten haben, reagieren auch auf Sojaprodukte empfindlich.

Ersatzprodukte und was du dabei beachten solltest

Mit glutenfreien Produkten verhält es sich so, wie mit Fleisch- und Käseersatz. Nur, weil ein „free from“ darauf steht, ist das Produkt nicht automatisch gesund. Es macht besonders bei Ersatzprodukten Sinn, die Zutatenliste zu checken. Glutenfreie Nahrungsmittel enthalten oft mehr Zucker und ungesunde Fette, um das Produkt schmackhafter zu machen.

Aktueller Trend sind proteinreiche Nudeln, also Nudeln mit Linsen- oder Kichererbsen- oder Erbsen-Anteil.

Linsennudeln sind meist teuerer und schwerer verdaulich. Mungbohnen-Nudeln sind aus Mungbohnen-Mehl gemacht, also aus gemahlenen Mungbohnen. Während die Nudelzeit hier nur 10 Minuten beträgt, werden Mungbohnen üblicherweise 40 Minuten gekocht und mit bestimmten, verdauungsfördernden Gewürzen angereichert, damit der Darm die Mungbohnen gut aufschlüsseln kann. Dies ist bei Linsen-Nudeln nicht gegeben. Menschen mit schwachem Verdauungsfeuer können hier besonders am Abend Probleme mit der Verdauung bekommen.

Ersatzprodukte und Autoimmunerkrankungen

Bei Autoimmunerkrankungen, wie Hashimoto, Basedow und auch bei Endometriose etc wird meist eine glutenarme oder -freie Ernährung empfohlen. Hierbei ist es dann besonders wichtig, zu wissen, dass Pseudegetreide, wie Buchweizen und Hirse bei einer Schilddrüsenüberfunktion unterstützend, bei einer Unterfunktion aber zu einer weiteren Schwächung der Schilddrüse beitragen.

FRÜHSTÜCKS-

TIPS

  1. Ideale Mischung für ein glutenfreies Vata-Frühstück: Reisflocken mit glutenfreien Hafterflocken
  2. Für das Pitta-Frühstück: glutenfreie Haferflocken mit schönen Nüssen und Kernen
  3. Ideale Mischung für ein glutenfreies Kapha-Frühstück: Hirse-Buchweizen-Porridge

Fazit

Mit glutenfreier Ernährung verhält es sich, wie mit jedem Essenstrend: das Maß ist entscheidend. Und wie immer, wenn wir ein Lebensmittel kathegorisch aus unserem Ernährungsplan streichen, sollten wir uns informieren, wie wir möglicherweise fehlende Nährstoffe ausgleichen können.

Beim glutenfreiem Getreide geht es, wie du gelesen hast, vor allem um die Beschaffenheit von Nahrung. Menschen mit viel Luft oder Feuer sollten bei der glutenfreien Ernährung besonders gut auf ihre Feuchtigkeit achten – sonst können auch hier Hautveränderungen, Verstopfungen und andere Verdauungsprobleme auftauchen können.

Reisvollkornnudeln, glutenfreies Bio-Brot (mit oder ohne Hefe?) mit möglichst wenig Zucker und anderen Zusatzstoffen, sind eine willkommene und gesunde Alternative im glutenfreien Alltag.

Mit den Ayurveda-Tips zur Dosa-Balance kannst du dich ganz einfach und gesund glutenfrei ernähren, dich balancieren und dein Verdauungsfeuer wunderbar unterstützen.

Happy Glutenfree-Days,

Deine Julia

Bildquellen: unsplash.com

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3 Antworten zu “Wie gesund ist Glutenfreie Ernährung wirklich?”

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